„Was macht dich glücklich?“

Über mich

Diese Frage war für mich schon immer sehr leicht zu beantworten. „Pferde natürlich! Was denn sonst?“ Diese sanftmütigen Tiere faszinieren mich, seit meine Tante Gabi mich als vierjähriges Mädchen zum ersten Mal mit zu einem Reitstall genommen hat. An meiner damals kindlichen Begeisterung für diese wundervollen Geschöpfe hat sich bis heute nichts geändert. Im Gegenteil. Je mehr ich über sie weiß, desto mehr möchte ich wissen. Das Lernen hört nie auf und so kann ich glücklicherweise auch niemals sagen, dass ich fertig bin. Es geht immer weiter!

Begonnen hat alles im Münsterland, wo ich auf einem Ponyhof das Reiten gelernt habe. Jede freie Minute habe ich dort verbracht. Mit elf Jahren habe ich den Reiterpass bestanden und anschließend mit meinem Pony Snoopy das Gelände unsicher gemacht. Und das am liebsten ohne Sattel und im gestreckten Galopp. Es folgten das kleine und das große Reitabzeichen und erste Turniererfolge in der einfachen Klasse.

Nach der Schule ging es dann erstmal zurück ins Ruhrgebiet, wo ich ursprünglich herkomme. Hier hatte ich während meines Studiums der Sozialpädagogik in Dortmund eine Reitbeteiligung an einem rumänischen Vollblut. Bis dann im Januar 1999 River in mein Leben getrabt kam und gesagt hat: „Hallo, ich bin`s. Dein Pferd.“ Da dies ganz unzweifelhaft feststand, war es auch zweitrangig, dass ich zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht darüber nachgedacht hatte, mir ein eigenes Pferd anzuschaffen, geschweige denn das Geld dafür vorhanden war. Dass sich dieser Zustand schnell änderte, verdanke ich meiner Tante Sabine und meinen Großeltern. Es sollte noch viele Jahre später ein Running Gag sein, dass Opas dritte Zähne nun auf vier Beinen herumlaufen. Für diese war das Geld nämlich ursprünglich vorgesehen gewesen.

Mein River
Riverdance, alias River: Westfale von Rosenkavalier. Seit 1999 mein ganzer Stolz

Mit River, der eigentlich Riverdance heißt, nahm meine Pferdeliebe noch einmal ganz neue Dimensionen an. Zweieinhalbjährig nahm er den Platz an meiner Seite ein und hat ihn bis heute nicht verlassen. Wenn ich zurückschaue auf die letzten 26 Jahre, kann ich nur sagen: Dieses Pferd hat aus mir den Pferdemenschen gemacht, der ich heute bin. Einen besseren Lehrer und Mentor hätte ich mir nicht wünschen können. Fast zwei Jahre lang haben wir unsere Beziehung zunächst am Boden verfestigt. Die freie Arbeit mit Pferden und die Vermittlung der körpersprachlichen Grundlagen dafür, waren damals noch nicht so weit verbreitet. Internet gab es noch nicht. Und schonmal gar nicht so viele verschiedene Trainerinnen und Trainer wie heute. Meine einzigen Quellen waren andere Pferdemenschen, die Bibliothek und die Bücherrubrik hinten im Katalog eines großen Pferdesportversandhauses.

Dort bin ich auf Klaus- Ferdinand Hempfling gestoßen. Das Buch „Mit Pferden tanzen“ gewährte mir erstmalig vollkommen neue Einblicke in den Umgang mit Pferden. Noch nie hatte mir jemand erklärt, wie ich meinen Körper einsetzen kann, um mit meinem Pferd zu kommunizieren. Neugierig habe ich alles mit River ausprobiert und war total begeistert von seinem Feedback. Ich konnte ihn frei auf einer großen Wiese im Kreis um mich herumlaufen lassen, und nie werde ich den Moment vergessen, als ich ihn zum ersten Mal mit dem bloßen Abknicken meiner Hüfte aus dem vollen Galopp zum Halten durchparieren konnte.


Immer auf der Suche nach weiteren Inspirationen habe ich jede Menge ausprobiert und massenweise Bücher verschlungen. Es gab so viel zu lernen! Nicht nur in Bezug auf die Bodenarbeit, sondern auch das Reiten betreffend. Schließlich wollte ich River selber ausbilden und unbedingt alles richtig machen. Außerdem war es mein Wunsch, Reitunterricht zu geben und vielleicht die Zusatzausbildung zur Reitpädagogin bei der FN zu machen. Deswegen habe ich im Winter 2000 den Trainer C- Lehrgang absolviert.

Was ich hier erlebt habe, hat mich ernsthaft an der FN und ihren Methoden zweifeln lassen. Es gab so viele Widersprüche zwischen Theorie und Praxis! Die Pferde wurden zum Beispiel in kleinen Boxen ohne Fenster gehalten und kamen nicht auf die Weide. In den Richtlinien steht aber etwas ganz anderes. Dann hatten wir das große Glück, von einer Dozentin in Sportpädagogik unterrichtet zu werden, die bei Eckhart Meyners gelernt hatte. Endlich erfuhr ich mehr über die Zusammenhänge im menschlichen Körper und verschiedene Unterrichtsmethoden. Mit dem, was wir dann aber selber im Unterricht erleben durften, hatte das allerdings gar nichts zu tun. Kasernenton, Beleidigungen und gebellte Befehle – von Pädagogik keine Spur. Dennoch: Ich habe viel gelernt und möchte diese Zeit nicht missen. Schnell hatte ich den Spitznamen „Mrs. Keep Smiling“, denn egal, wie sehr der Lehrer in der Mitte uns auch zur Schnecke gemacht hat: Ich saß auf einem Pferd! Und das mehrere Stunden am Tag – das konnte mir keiner vermiesen.

Nach diesem Lehrgang hegte ich jedoch den Wunsch, es anders zu machen. Menschen- und pferdefreundlich. Ich war überzeugt davon, dass es einen harmonischen Weg geben muss. Zu Eckhart Meyners Buch gesellte sich Karin von Dietzes „Balance in der Bewegung“, gefolgt von Joni Bentleys „Reiten ohne Stress und Angst, besser Reiten mit der Alexandertechnik“. Und schließlich hielt ich das Buch von Sally Swift in der Hand: „Reiten aus der Körpermitte“. Volltreffer. Genau das hatte ich gesucht. Eine Möglichkeit, die Inhalte der klassischen Reitlehre in Gefühle und Bilder zu übersetzen, sodass sie für jeden erfahrbar und vor allem umsetzbar gemacht werden. Ich begann, die Elemente aus dem Centered Riding in meinen Reitunterricht mit einzubauen, und war begeistert, wie gut meine Schülerinnen und Schüler mit den inneren Bildern arbeiten konnten.

Zu diesem Zeitpunkt hatte ich bereits damit begonnen, River anzureiten. Ganz entspannt und ohne Zeitdruck waren wir zunächst viel im Gelände rund um Dortmund unterwegs. Es zahlte sich von Anfang an aus, dass wir so viel am Boden gemacht haben und stundenlang spazieren gewesen sind. Ich hatte ein absolutes Verlasspferd unter mir und konnte meinem Pferd immer zu einhundert Prozent vertrauen.

2001 haben wir im Sommer ein paar Wochen in der Nähe von Bremen bei meiner Tante Sabine und ihrem Mann Klaus verbracht. Beide hatten spät ihre Liebe zu Pferden entdeckt und nannten mittlerweile zwei Stuten ihr Eigen: Danny und Lena. Wir genossen eine unbeschwerte Zeit mit Mondscheinritten durch das Moor und ausgedehnten Tagesausflügen in die umliegenden Wälder. Das Highlight war aber unser Ausflug ins Watt. Gerade mal fünfjährig und noch kein Jahr unter dem Sattel, hat River mich nach Neuwerk getragen, als wäre es das Normalste von der Welt. In diesem Moment fasste ich den Entschluss, das Ruhrgebiet zu verlassen und in den Norden zu ziehen. Gesagt, getan: Im März 2002 begann ich eine Tätigkeit als Sozialpädagogin an einer Schule in Bremerhaven und zeitgleich startete ich einen Nebenjob im Schulbetrieb des Reitvereins General Rosenberg in Schwanewede.

Haben uns in den schönen Norden gelockt: Sabine und Klaus mit Danny und Lena.

In dieser Zeit bin ich dann einmal kurz vom Kurs abgekommen. Aber das war eine wichtige Erfahrung für mich, deswegen bin ich sehr dankbar dafür. Ich glaubte, mit einem so talentierten Pferd und als Reitlehrerin auch Turniere reiten zu müssen. Schließlich war es das, was alle von mir erwarteten. Also nahm ich Unterricht bei einer Trainerin, die River und mich hier unterstützen sollte. Und wieder taten sich große Kluften auf. Wenn River und ich alleine miteinander waren, hatten wir eine tolle Verbindung zueinander. Kaum stand jedoch meine Trainerin in der Mitte, war es wie verhext. Ich verlor bei dem Versuch, ihren Anweisungen zu folgen, stets den Kontakt zu meinem Pferd und mein Reitgefühl. Das Resultat war jedes Mal frustrierend. Außerdem widerstrebte mir das klassische „Hinten treiben, vorne gegenhalten“ und River hat mir ganz klar gespiegelt: „So nicht, Nicole.“ Dafür bin ich ihm unendlich dankbar. Eines schönen Tages habe ich dann alles in die Ecke gefeuert: meinen Sattel, meine Trense, mein Turnierjacket, und habe mir geschworen, nie wieder so zu reiten. Ich sehnte mich mehr denn je nach einer harmonischen Verbindung und Leichtigkeit, nach feinem Reiten. Und so war unser Abstecher in die Turnierszene glücklicherweise sehr kurz und sehr heilsam.

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River und ich 2003 auf einem Turnier

2006 geschah dann etwas Wunderbares: Ich wollte zu meinem damaligen Freund nach Bremen ziehen und hatte mich deswegen nach freien Stellen umgeschaut. Und wie das Leben manchmal so spielt, war ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Genau zu diesem Zeitpunkt wurde auf der Kinder- und Jugendfarm in Habenhausen die Stelle der Pädagogin im Reitbereich frei. Bingo. Es passte einfach alles, genau DAS wollte ich immer machen. Losgelöst von irgendwelchen sportlichen Ambitionen konnte ich hier jungen Menschen den partnerschaftlichen Umgang mit Pferden vermitteln. In dieser Blase bekam ich die Chance, es anders zu machen. Ich stellte alle anderen Unterrichtsaktivitäten ein und konzentrierte mich nur noch auf die Farm und mein eigenes Konzept. Dieses wurde maßgeblich durch die Pferde vor Ort geprägt, die teilweise schon recht betagt waren und etwas anderes brauchten, als den klassischen Unterricht auf dem Platz. Das selbsterwählte Motto der Ponykinder lautete: „Ein Pferd ist ein Freund – und kein Sportgerät“. Also überlegten wir gemeinsam, wie wir den speziellen Bedürfnissen unserer Farmpferde und Esel gerecht werden konnten. Und Spaß sollte es allen Beteiligten obendrein machen.

So entstand im Laufe der Jahre das FARM-Prinzip. Die einzelnen Buchstaben stehen hierbei für Freude, Achtsamkeit, Respekt und Miteinander. Der Satz „Mit Freude, Achtsamkeit und gegenseitigem Respekt zu einem harmonischen Miteinander von Mensch und Pferd“ wurde zu unserem Leitmotiv. Es wurde in zwei Zeitschriften ein Artikel darüber veröffentlicht und 2018 bekam ich die Gelegenheit, das FARM-Prinzip auf einem internationalen Workshop Kolleginnen und Kollegen von anderen Farmen vorzustellen. In Englisch! Ich bin noch nie in meinem Leben so aufgeregt gewesen. Doch die Resonanz war durchweg positiv und es wurde der Wunsch an mich herangetragen, das Ganze doch einmal zu Papier zu bringen.

Das FARM-Prinzip in Englisch: Fun, Amity, Respect, Mindfulness

Zunächst waren jedoch andere Dinge in meinem Leben wichtig. 2019 hatte ich einen Arbeitsunfall und es hat 9 Monate gedauert, ehe ich wieder arbeiten konnte. Dann habe ich geheiratet und bin mit Mann, Hund und Pferd aufs Land gezogen. Endlich sollte dieser Traum in Erfüllung gehen! River hatte mich zwar schon die Jahre davor tagtäglich bei meiner Arbeit auf der Farm begleitet, doch nun wohnten wir endlich auch am selben Ort.

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Connemarapony Fanta

Das tun wir heute immer noch. Mittlerweile gehört noch ein Connemarapony namens Fanta zu unserer kleinen Familie. Während River immer sehr viel Wert darauf gelegt hat, das perfekte Reitpferd für mich zu sein, hält Fanta nicht so besonders viel davon, geritten zu werden. Er mag dieses ganze „Gedöns“ nicht, das man dazu an seinem Körper befestigen muss. Seine Aufgabe in unserer kleinen Gemeinschaft besteht offensichtlich darin, uns immer wieder daran zu erinnern, dass das Wichtigste im Leben ist, sich wild, frei und lebendig zu fühlen. Und natürlich gemeinsam Spaß an der Freude zu haben.

River - mit 25! - und ich ohne Sattel im Schnee

Das Buch über das FARM-Prinzip ist nun endlich so gut wie fertig geschrieben. Und 2022 habe ich, 22 Jahre, nachdem ich zum ersten Mal das Buch in den Händen hielt, meine Ausbildung zur Centered Riding Lehrerin gemacht. Ende 2024 habe ich auf der Farm aufgehört. Nach über 18 Jahren kommt jetzt etwas Neues. Vielleicht bist du ja ein Teil davon? Ich würde mich sehr freuen!

Liebe Grüße,

Nicole