Achtsamkeit
Achtsam zu sein bedeutet, ganz wach und aufmerksam den gegenwärtigen Moment wahrzunehmen. Was siehst du, was kannst du riechen, schmecken, hören oder fühlen? Du bist dabei ganz präsent und nimmst dich selber und deine Umgebung mit allen Sinnen wahr, ohne irgendetwas zu bewerten.
Früher war dieser Zustand einmal selbstverständlich für uns. Es gab keinen Zeitdruck, keinen vollen Stundenplan oder Terminkalender, keine permanente Ablenkung durch Handys, Computer oder Fernseher. Wir konnten stundenlang spielen und ganz in Ruhe die Welt entdecken. Ungefähr bis zum 6. Lebensjahr ist Achtsamkeit für ein Kind etwas vollkommen Normales, denn es ist der natürliche Bewusstseinszustand, mit dem wir alle auf diese Welt kommen.
Doch dann geht es in die Schule. Der Kopf wird auf einmal unglaublich gefordert, es gibt so viel zu lernen. Das Gehirn ist permanent damit beschäftigt, Eindrücke zu verarbeiten und neue Synapsen zu bilden. Plötzlich müssen Leistungen erbracht werden und wir werden anhand dieser bewertet. Schnell entsteht das Gefühl, nur etwas wert zu sein, wenn wir gute Noten bekommen. Schon als ganz junger Mensch sind wir permanent damit beschäftigt, die Erwartungen anderer zu erfüllen und zu funktionieren. Und plötzlich spielt das Leben sich hauptsächlich im Kopf ab. Wir sind mit unseren Gedanken entweder in der Vergangenheit oder in der Zukunft, denken über etwas nach, was wir vielleicht noch hätten besser machen können oder bereiten uns gedanklich auf etwas vor, was wir noch zu erledigen haben.
Den gegenwärtigen Moment erleben wir so nicht. Das, was früher einmal ganz selbstverständlich für uns war, nämlich den Augenblick ganz bewusst mit allen Sinnen wahrzunehmen, gerät immer mehr in Vergessenheit. Und wir merken es gar nicht, denn schließlich machen es ja alle so, also denken wir, es ist normal.
Dazu kommt dann noch die Schnelllebigkeit unserer Zeit. Durch Handys sind wir permanent erreichbar, Social- Media- Kanäle wie Whatsapp oder Instagram wollen pausenlos bedient werden und fordern unglaublich viel Aufmerksamkeit.
Unsere Welt ist voll und laut geworden, der Verkehr hat immens zugenommen, überall Leuchtreklamen, Licht- und Luftverschmutzung...
Dafür ist der Mensch eigentlich gar nicht gemacht.
Das Gehirn ist einer permanenten Reizüberflutung ausgesetzt. Normalerweise kann es Informationen und Eindrücke sehr gut filtern und verarbeiten, doch wenn es zu viele sind, entsteht Stress und der Körper reagiert mit dem sogenannten Kampf- oder Fluchtmechanismus darauf: Es werden Stresshormone ausgeschüttet, das Gehirn wittert überall eine Gefahr. Das führt unter anderem dazu, dass die Konzentrationsfähigkeit nachlässt, wir Kopfschmerzen bekommen oder nicht mehr durchschlafen können. Wir fühlen uns erschöpft oder ängstlich und wollen nur noch unsere Ruhe haben. Spätestens dann ist dringend eine Pause angesagt.
Leider hat der Begriff Achtsamkeit mittlerweile etwas Abgedroschenes. Vor 10 Jahren, als das FARM-Prinzip entstanden ist, war das noch nicht so. Doch dann wurde es irgendwie modern, Achtsamkeitskurse zu besuchen und viele selbsternannte Persönlichkeitstrainerinnen und -trainer haben sich diesen Begriff auf die Fahne geschrieben. Als wäre Achtsamkeit eine neue Superkraft. Dabei geht es lediglich darum, den Körper, der uns geschenkt wurde, auch zu bewohnen und ihn mit Leben zu füllen, damit wir durch ihn wirken und wahrnehmen können. Kurz: Wir sollten auch dabei sein, wenn unser Leben stattfindet. Zum Glück wissen unsere Pferde ganz genau wie das geht!


Achtsamkeitstrainer Pferd
Pferde leben ausschließlich in der Gegenwart, für sie gibt es nichts anderes als den gegenwärtigen Augenblick. Sie verschwenden keine Gedanken an die Vergangenheit oder die Zukunft, sie sind einfach da und stets mit all ihren Sinnen verbunden. Anders könnten sie in freier Wildbahn nicht überleben. Und so können sie uns dabei helfen, wieder in den natürlichen Zustand der Achtsamkeit zu gelangen, der für uns in unserer Kindheit noch so selbstverständlich war.
Das ist zwar sehr gesund für uns, aber wenn wir ein guter Pferdemensch sein möchten, ist es auch unerlässlich, dass wir ganz präsent sind. Denn ein Pferd wird sich nur wohl bei uns fühlen, wenn wir ihm das Gefühl vermitteln können, dass es bei uns in Sicherheit ist.
Dazu ist es notwendig, dass wir unsere Umgebung bewusst wahrnehmen, damit wir mögliche Gefahren erkennen, und das Pferd davor beschützen können. Und nicht nur das: Es ist ebenso wichtig, dass wir uns selber bewusst wahrnehmen. Denn wie wollen wir unsere Körpersprache richtig einsetzen oder uns auf dem Pferderücken ausbalancieren, wenn wir uns gar nicht spüren?

Wie wollen wir die Gefühle und die Stimmungen eines Pferdes wahrnehmen, wenn wir das nicht einmal bei uns selber können? Alles beginnt bei uns.
Sich immer wieder neu auf den jeweiligen Moment einzustellen und im Einklang mit allem, was wir wahrnehmen, zu handeln, ermöglicht es uns, eine tiefe Verbindung mit unserem Pferd einzugehen. Es gibt viele wundervolle Rituale und Übungen, die du ganz leicht in euren gemeinsamen Alltag einbauen kannst.